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Geltungszeitraum von: 01.09.2004

Geltungszeitraum bis: 31.03.2010

848. Allgemeine Richtlinien für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltsseelsorger in den Vollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg

Vom 1. September 2004

(Die Justiz S. 371)

Im Einvernehmen mit dem Bischöflichen Ordinariat in Rottenburg, dem Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg i. Br., dem Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe sowie dem Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart wird für den Dienst der evangelischen und katholischen Anstaltsseelsorger in den Vollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg folgendes bestimmt:
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§ 1

( 1 ) Die Seelsorge in den Vollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge. Die Gestaltung der Dienstverhältnisse der hauptamtlichen Seelsorger in den Vollzugsanstalten richtet sich nach § 157 StVollzG.
( 2 ) Für jede Konfession wird ein Dekan bestellt. Ihm obliegt insbesondere die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Strafvollzugs- und Kirchenbehörden, die Beratung des Justizministeriums in seelsorgerlichen Angelegenheiten, die Betreuung und der Besuch aller im Strafvollzug tätigen Seelsorger und die Visitation im Rahmen der jeweiligen kirchlichen Ordnung.
( 3 ) Die Seelsorger und die Dekane werden vom Land auf Vorschlag der Kirchen nach den Bestimmungen des Landesbeamtenrechts in das Beamtenverhältnis berufen oder durch Dienstvertrag angestellt. Die Beförderung oder Versetzung eines Seelsorgers geschieht im Benehmen mit der betreffenden Kirche, die vor ihrer Stellungnahme den Dekan hört.
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§ 2

( 1 ) Die hauptamtlichen Seelsorger werden nach ihrer Bestellung durch das Land von dem zuständigen Dekan in ihr Amt eingeführt (Investitur). Entsprechendes gilt nach einer Versetzung an eine andere Vollzugsanstalt.
( 2 ) Nebenamtliche Seelsorger können vom zuständigen Dekan eingeführt werden.
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§ 3

( 1 ) Die Aufsicht über die Seelsorger in geistlichen Angelegenheiten übt die zuständige Kirche aus. Im Rahmen dieser Aufsicht ist die Kirche berechtigt, bei ihren Seelsorgern durch den Dekan oder von der Kirchenleitung Beauftragte Visitationen vorzunehmen.
( 2 ) Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Dienstaufsicht bei den Vollzugsanstalten unberührt. Das Justizministerium benachrichtigt die betreffende Kirche über den Dekan, wenn gegen einen Seelsorger wesentliche Beanstandungen vorgebracht werden oder wenn gegen ihn ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet wird oder der Erlaß einer Disziplinarverfügung beabsichtigt ist.
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§ 4

( 1 ) Die hauptamtlichen Seelsorger haben im wesentlichen folgende Aufgaben:
  1. Abhaltung regelmäßiger Gottesdienste an den Sonn- und kirchlichen Feiertagen;
  2. Einzelseelsorge einschließlich der Zellenbesuche und Aussprache mit den einzelnen Gefangenen;
  3. Abnahme der Beichte und Spendung der Sakramente an alle Gefangenen auf deren Wunsch;
  4. Vornahme kirchlicher Trauerfeiern und anderer Kasualhandlungen;
  5. Angebot von Gruppenarbeit, Kursen und Unterweisungsstunden entsprechend dem Bekenntnis der Gefangenen;
  6. Abhaltung von Besuchen und Beteiligung an Ausführungen von Gefangenen in seelsorgerlich begründeten Fällen;
  7. besondere Krankenseelsorge bei Krankheitsfällen innerhalb der Vollzugsanstalt;
  8. Teilnahme an Dienstbesprechungen und Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung, Durchführung des Vollzugsplanes und der Freizeitgestaltung;
  9. seelsorgerliche Beratung und seelsorgerlicher Beistand für die Gefangenen und deren Angehörige in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten;
  10. Mitwirkung bei der Fürsorge für die Gefangenen ihres Bekenntnisses und deren Familien;
  11. beratende Mitwirkung bei der Anschaffung weltlicher Bücher für die Gefangenenbücherei und einverständliche Mitwirkung bei der Anschaffung und Ausgabe religiöser Bücher und Schriften:
  12. Fühlungnahme mit den Gemeindepfarrern der Gefangenen und ihren Familien;
  13. Veranstaltungen außerhalb der Vollzugsanstalten, die über Probleme des kirchlichen Dienstes im Strafvollzug informieren, soweit solche Veranstaltungen mit den übrigen Dienstobliegenheiten zu vereinbaren sind;
  14. Mitwirkung bei der Ausbildung und Fortbildung der Anstaltsbediensteten.
( 2 ) Der Anstaltsleiter unterstützt den Seelsorger bei der Durchführung seiner Aufgaben. In den Fällen des Abs. 1 Nr. 6 ist seine Zustimmung erforderlich. Der Seelsorger im Vollzug arbeitet mit den anderen im Vollzug Tätigen zusammen.
( 3 ) Der Seelsorger kann mit Zustimmung des Anstaltsleiters freiwillige Helfer und mithelfende kirchliche Gruppen zur Unterstützung seiner Arbeit heranziehen.
( 4 ) Zu schriftlichen Gutachten sowie zu schriftlichen Äußerungen in Gnadensachen und Verfahren nach § 57 StGB, § 88 JGG sind die Seelsorger nicht verpflichtet.
( 5 ) Auf den Dienst der nebenamtlichen Seelsorger sind die Absätze 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.
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§ 5

Die Seelsorger sind nicht verpflichtet, an der Zensur der Gefangenenbriefe mitzuwirken.
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§ 6

( 1 ) Für den Dienst der Seelsorger (§ 4) gelten die Gottesdienstordnungen, Agenden, Ordnungen und Bestimmungen der für sie zuständigen Kirche.
( 2 ) Grundsätzlich ist der Seelsorger für Gefangene seiner Konfession zuständig. In Einzelfällen betreut er auch Gefangene einer anderen Konfession, wenn diese es wünschen, wobei er, soweit dies nach den Umständen möglich und sinnvoll ist, mit dem zuständigen Seelsorger vorher Verbindung aufnehmen soll.
( 3 ) Die äußere Organisation der Anstaltsseelsorge (z. B. Diensträume, Schreibhilfe, Dienstschlüssel, Hilfspersonal, Betreten der Hafträume, Gottesdiensträume, Teilnahme am Gottesdienst usw.) wird im einzelnen unter Berücksichtigung der bestehenden Vollzugsvorschriften von dem Anstaltsleiter im Benehmen mit dem Seelsorger geregelt.
( 4 ) Bei der Planung, Gestaltung und Einrichtung von Gottesdiensträumen in einer Vollzugsanstalt unterrichten die Seelsorger ihre kirchlichen Vorgesetzten.
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§ 7

Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis ist von den Seelsorgern streng zu wahren.
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§ 8

Beschwerden von Gefangenen über den Seelsorger in geistlichen Angelegenheiten sind an die zuständige Kirche weiterzuleiten. Diese hört den Seelsorger und den Dekan sowie gegebenenfalls den Anstaltsleiter über die Beschwerde.
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§ 9

( 1 ) Das Justizministerium beruft im Einvernehmen mit dem zuständigen Dekan die hauptamtlichen evangelischen und katholischen Seelsorger im Vollzug im jährlichen Wechsel zu Fortbildungsmaßnahmen ein. Organisation und Durchführung obliegen dem Dekan nach Absprache mit dem Justizministerium. Die Fortbildungsveranstaltungen dienen der Ausrichtung des Dienstes, dem Erfahrungsaustausch und der Weiterbildung.
( 2 ) Zur Teilnahme an anderen Konferenzen des kirchlichen Dienstes im Vollzug wird den Seelsorgern Dienstbefreiung erteilt.
( 3 ) Der Seelsorger hat Anspruch auf Teilnahme an den Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen seiner Kirche entspechend den hierfür geltenden Richtlinien und nach Maßgabe von Absprachen zwischen den Kirchen und dem Justizministerium.
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§ 10

( 1 ) Die Vertretung der hauptamtlichen Seelsorger in Urlaubs- und Krankheitszeiten regelt der Anstaltsleiter nach Anhörung des Seelsorgers und gegebenenfalls des Dekans.
( 2 ) Die Vertretung der nebenamtlichen Seelsorger bleibt der Regelung im Einzelfall überlassen.
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§ 11

Die hauptamtlichen Seelsorger erhalten als Ausgleich für ihren Dienst an den Sonnabenden, Sonn- und kirchlichen Feiertagen einen jeweils bis auf weiteres festzusetzenden dienstfreien Tag während der Woche. Das Nähere regelt der Anstaltsleiter im Benehmen mit dem Seelsorger.
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§ 12

Ergänzend zu diesen Richtlinien sind die allgemeinen Dienstanweisungen, die in den betreffenden Kirchen für alle Geistlichen gelten, für die Seelsorger entsprechend anzuwenden.
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§ 13

Diese AV tritt mit Wirkung vom 1. Mai 1977 in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt wird die AV d. JuM. vom 5. Juli 1972 (2412 I-VI/94) – Die Justiz 239 – aufgehoben.