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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Beschluss
Datum:19.03.2004
Aktenzeichen:VG 02/04
Rechtsgrundlage:§ 14 KVwGG; § 38 KVwGG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Eilrechtsschutz, Feststellung der aufschiebenden Wirkung, Entziehung eines Dienstauftrages, Verwaltungsakt

Leitsatz

und Beschluss des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 19. März 2004

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Leitsatz:

  1. Wird die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs bestritten, wird vorläufiger Rechtsschutz durch Feststellung der aufschiebenden Wirkung gewährt.
  2. Einzelfall der Entziehung des einer Pfarrerin im Wartestand erteilten Dienstauftrages durch Verwaltungsakt.
  3. Entzug der Parochialrechte und des Stimmrechts im Kirchengemeinderat.
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Az: VG 02/04
In der Verwaltungsrechtssache
Pfarrerin ...
- Antragsstellerin -
gegen
die Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertr. durch den Oberkirchenrat,
dieser vertr. d. d. Direktorin im Oberkirchenrat,
Frau Oberkirchenrätin Rupp,
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart
- Antragsgegnerin -
wegen
Entzug eines Dienstauftrages
hier: vorläufiger Rechtsschutz
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch
den Richter am Verwaltungsgericht Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dieter Eiche als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt
die Pfarrerin Erika Schlatter als ordiniertes Mitglied
den Pfarrer Christian Kohler als ordiniertes Mitglied
den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied
am 19. März 2004 beschlossen:
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Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Verfügung des Dekans von Stuttgart vom 4. Januar 2004 aufschiebende Wirkung hat.
Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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Gründe:

I.
Die Antragstellerin ist seit 1. Oktober 1999 Pfarrerin im Wartestand. Mit Wirkung vom selben Tag wurde sie gemäß § 59 Abs. 3 Pfarrergesetz „widerruflich mit einem auf die Hälfte eingeschränkten Dienstauftrag beauftragt“. Als Inhalt des Dienstauftrags wurde bestimmt: „Vertretungsdienste im Kirchenbezirk Stuttgart in Absprache mit Herrn Dekan E., bei dem die unmittelbare Dienstaufsicht liegt.“
Nachdem der Umfang des Dienstauftrags der Antragstellerin in wechselnden Vereinbarungen anlässlich von Dienstgesprächen im Dekanatamt festgelegt worden war, teilte der Dekan der Antragstellerin schließlich mit Schreiben vom 4. Dezember 2001 mit: „Sie erhalten den Bereich der Evangelischen Kirchengemeinde S. als eigene Parochie für die Zeit Ihrer widerruflichen Beauftragung übertragen. Dies geschieht so, dass Herr H. die Zuständigkeit für diese Parochie aus seinem Zuständigkeitsbereich an Sie delegiert. Damit verbunden ist das Stimmrecht im Kirchengemeinderat. Dieses Verfahren wird hiermit vom Dekanatamt genehmigt.“
Mit Schreiben vom 4. Januar 2004 entzog der Dekan der Antragstellerin „nach Ablauf Ihres Urlaubs ab dem 6. Januar 2004 bis auf weiteres den Dienstauftrag, der ‚unterstützend und vertretend pfarramtliche Dienste in der Zuständigkeit von Pfarrer H.’ (Protokoll vom 07.02.2000) umfasste mit dem Schwerpunkt der Pastoration in der Kirchengemeinde S.“ Das Deputat der Antragstellerin im Religionsunterricht blieb davon unberührt.
Mit Schreiben ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Januar 2004, eingegangen beim Dekanatamt Stuttgart am 16. Januar 2004, hat die Antragstellerin erklären lassen, sie sei mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und widerspreche dieser Entscheidung.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 entzog der Oberkirchenrat der Antragstellerin mit Wirkung vom 20. Januar 2004 den Wartestands-Dienstauftrag beim Dekan von S.
Am 19. Februar 2004 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg um Vorläufigen Rechtschutz nachgesucht.
Mit Verfügung vom 26. Februar 2004 nahm der Oberkirchenrat seinen Bescheid vom 20. Januar 2004 zurück. Die Verfügung des Dekans vom 4. Januar 2004 blieb davon unberührt.
Hinsichtlich der Verfügung des Oberkirchenrats vom 20. Januar 2004 haben die Beteiligten das Eilverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Hinsichtlich des Entzugs des Dienstauftrags durch den Dekan von S. vom 7. Januar 2004 beantragt die Antragstellerin nach entsprechendem Hinweis des Gerichts,
die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass es sich bei der näheren inhaltlichen Ausgestaltung dessen, was unter Vertretungsdienste im Kirchenbezirk im Einzelfall zu verstehen ist, lediglich um Organisationsverfügungen des unmittelbaren Vorgesetzen handele, so dass eine Veränderung des jeweils konkret zugewiesenen Aufgabengebietes mit einer beamtenrechtlichen „Umsetzung“ wegen der unterschiedlichen Gestaltung des Pfarrerdienstrechts und des staatlichen Beamtenrechts zwar nicht identisch, aber doch im Wesentlichen vergleichbar sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Qualifizierung der Änderung des Aufgabenbereiches als Organisationsmaßnahme unabhängig davon, ob im Einzelfall durch den Entzug von Aufgaben tatsächlich Rechtsbeeinträchtigungen vorliegen. Für die Feststellung der Rechtsnatur der angefochtenen Maßnahme sei also nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen, sondern allein auf ihren objektiven Sinngehalt abzustellen. Unabhängig davon entfalte diese innerorganisatorische Maßnahme keine weitergehenden Rechtsfolgen für die Antragstellerin, etwa im Besoldungs- oder Versorgungsbereich, welche über die Änderung des konkreten Aufgabenbereichs hinaus reichten. Ebenso wenig ändere sich der Status der Antragstellerin durch die Maßnahme in irgendeiner Weise. Auch entfalte ein etwaiges mit dem konkreten Aufgabenbereich verbundenes gesellschaftliches Ansehen keine das Ermessen bei der Änderung des Aufgabenbereiches einschränkende Wirkung. Im Übrigen lägen sachliche Gründe für die Veränderung des Aufgabenbereiches vor und die Maßnahme sei nicht maßgeblich von einem Ermessensmissbrauch geprägt. Die Antragstellerin habe ihre Aufgabe und Funktion im Rahmen ihres Dienstauftrages im Wartestand verkannt.
II.
Vorläufiger Rechtsschutz ist hier notwendig, da die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung des am 16. Januar 2004 erhobenen Widerspruchs gegen die Verfügung des Dekans von Stuttgart vom 4. Januar 2004 bestreitet.
Vorläufiger Rechtsschutz wird in solchen Fällen wegen § 14 Abs. 3 KVwGG durch Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 38 KVwGG gewährt (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, Nrn 901 und 906).
Die Entziehung des Dienstauftrags durch den Dekan von S. mit Schreiben vom 4. Januar 2004 stellt einen Verwaltungsakt dar.
Das Gericht legt seiner Rechtsprechung die vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Grundsatzentscheidung vom 22. Mai 1980 (BVerwGE 60, 144) getroffenen grundsätzlichen Klärungen zugrunde. Danach hängt das Vorliegen des hier für die Verwaltungsaktsqualität entscheidenden Merkmals der „unmittelbaren Außenwirkung“ davon ab, ob die Regelung ihrem objektiven Sinngehalt nach dazu bestimmt ist, Außenwirkung zu entfalten, nicht aber davon, wie sie sich im Einzelfall tatsächlich auswirkt. Durch die Außenwirkung unterscheidet sich der Verwaltungsakt von behördeninternen Maßnahmen, von denen er abzugrenzen und damit gleichzeitig seinem Inhalt nach näher zu konkretisieren ist. Behördeninterne Maßnahmen sind insbesondere u. a. die an einen Beamten allein in seiner Eigenschaft als Amtsträger und Glied der Verwaltung gerichteten, auf organisationsinterne Wirkung zielenden Weisungen des Dienstherrn und die auf die Art und Weise der dienstlichen Verrichtung bezogenen innerorganisatorischen Maßnahme der Behörde, in deren Organisation der Beamte eingegliedert ist. Danach ist die Umsetzung eines Beamten, nämlich die das statusrechtliche Amt und das funktionelle Amt im abstrakten Sinne unberührt lassende Zuweisung eines anderen Dienstpostens (funktionelles Amt im konkreten Sinn) innerhalb der Behörde kein Verwaltungsakt. Sie ist zu der Vielzahl der im Einzelnen nicht normativ erfassten Maßnahmen zu rechnen, die zur Erhaltung und Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unerlässlich sind. Sie gehört ihrem objektiven Sinngehalt nach zu den Anordnungen, die die dienstliche Verrichtung eines Beamten betreffen und sich in ihren Auswirkungen auf die innerorganisatorische Einheit beschränken, der der Beamte angehört. Durch diese Beschränkung auf die innerbehördliche Organisation unterscheidet sich die Umsetzung wesentlich von der Versetzung – der auf Dauer anlegten Übertragung eines anderes Amtes im funktionellen Sinn bei einer anderen Behörde desselben (oder eines anderen) Dienstherrn – und der Abordnung – der (vorübergehenden) Zuweisung einer dem Amt des betroffenen Beamten entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle (Behörde) desselben (oder eines anderen) Dienstherrn.
Das Pfarrerdienstverhältnis ist allerdings ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art und die für das Beamtenrecht entwickelten Rechtsbegriffe können nur entsprechend angewandt werden. Des Weiteren gibt der hier zu entscheidende Fall keinen Anlass zu einer generellen Klärung der Frage, inwieweit Dienstauftragszuweisungen und -änderungen gegenüber einem Pfarrer oder einer Pfarrerin im Wartestand angesichts der gesetzlichen Regelung „unmittelbare“ Außenwirkung entfalten oder nicht. Jedenfalls der hier zu beurteilende Entzug des Dienstauftrages unterscheidet sich von einer nur auf organisationsinterne Wirkung zielenden Weisung des Dienstherrn. Er hat vielmehr unmittelbare Außenwirkung, da er darauf gerichtet ist, der Antragstellerin die Zuständigkeit für die Parochie und damit die Parochialrechte gemäß § 31 Pfarrergesetz und das Stimmrecht im Kirchengemeinderat zu entziehen, und im Übrigen auch den Einsatz in einer Dienststelle beendet.
Gemäß § 38 Abs. 1 Kirchliches Verwaltungsgerichtsgesetz hat deshalb der am 16. Januar 2004 erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung.
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 3 Kirchliches Verwaltungsgerichtsgesetz einzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 und § 93 Abs. 2 Kirchliches Verwaltungsgerichtsgesetz. Soweit sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten ebenfalls der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da diese die Erledigung herbeigeführt hat.
gez. Müller
gez. Eiche
gez. Schlatter
gez. Kohler
gez. Dr. Deuschle