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Kirchengericht:Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
Entscheidungsform:Urteil
Datum:29.11.2002
Aktenzeichen:VG 04/02
Rechtsgrundlage:§ 72 Abs. 2 Württ. Pfarrergesetz; BVV
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Verlängerung des Vorbereitungsdienstes

Leitsatz

und Urteil des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 29. November 2002

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Leitsatz:

Die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes setzt stets eine atypische Fallgestaltung voraus; erst dann ist dem Oberkirchenrat eine Ermessensentscheidung über die Verlängerung möglich.
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Az: VG 04/02
In der Verwaltungsrechtssache
Herr...
- Kläger -
gegen
die Evangelische Landeskirche in Württemberg,
vertr. durch den Oberkirchenrat,
dieser vertr. d. d. Direktorin im Oberkirchenrat,
Frau Oberkirchenrätin Rupp,
Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart
- Beklagte -
wegen
Übernahme in den unständigen Dienst im Pfarrdienst
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch den Richter am Verwaltungsgericht Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dieter Eiche als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt
die Pfarrerin Erika Schlatter als ordiniertes Mitglied
den Pfarrer Christian Kohler als ordiniertes Mitglied
den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied
auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2002 für Recht erkannt:
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Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Verlängerung seines Vorbereitungsdienstes.
Der Kläger wurde im Jahre 1968 geboren, er legte im Jahre 1987 sein Abitur ab. Anschließend absolvierte er eine Lehre zum Restaurantfachmann.
Von 1990 bis 1996 studierte er Theologie, das Studium schloss er im Februar 1996 mit der I. Evangelisch-theologischen Dienstprüfung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ab und erzielte dabei die Note 2,85. Da er zunächst nicht in den Vorbereitungsdienst übernommen wurde, war er in der Folgezeit in verschiedenen Restaurants tätig.
Zum 1. September 1999 wurde der Kläger in den Vorbereitungsdienst übernommen und trat seinen Dienst als Vikar im regionalisierten Vikariat an der Paul-Gerhardt-Kirche in L. an.
Aus einer bei den Akten des Oberkirchenrats befindlichen Aktennotiz vom 11. Juli 2000 ergibt sich, dass der zuständige Dekan R. in einem Telefongespräch Zweifel im Hinblick auf die Eignung des Klägers für den Pfarrdienst in der Gemeinde geäußert hatte. Ausbildungspfarrer St. habe deshalb bereits Kontakt mit dem Dekan aufgenommen. Das Problem liege vor allen Dingen in der mangelnden Selbstwahrnehmung des Klägers.
Am 25. Juli 2000 fand ein Gespräch statt, an dem der Kläger, eine von ihm hinzugezogene Rechtsanwältin, Dekan R., Schuldekan P. und Ausbildungspfarrer St. teilnahmen. Gegenstand des Gesprächs waren das Verhalten und die Leistungen des Klägers im Vorbereitungsdienst. Zum Abschluss des Gesprächs teilte Dekan R. dem Kläger mit, dass er, der Schuldekan und der Ausbildungspfarrer einhellig zu der Auffassung gelangt seien, dass dem Kläger zu empfehlen sei, seine Ausbildung freiwillig abzubrechen, da auch nach diesem Gespräch erhebliche Zweifel an seiner Eignung für den Beruf des Pfarrer bestünden. Der Kläger lehnte dieses Ansinnen ab.
Mit Schreiben vom 31. August 2000 wandte sich der Schuldekan namens des Dekanatamts L. an den Oberkirchenrat und teilte mit, das Gespräch vom 25. Juli 2000 habe als Klärungs- und Beurteilungsgespräch nach Nr. 5 Abs. 1 der Verordnung über die Beurteilung im Vorbereitungsdienst – BVV – stattgefunden. Wegen der erkennbaren Probleme sei ein Gespräch im Sinne von Nr. 3 Abs. 1 BVV früher als im Normalfall erforderlich gewesen. Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Klägers zum Pfarrdienst hätten bei dem Gespräch nicht ausgeräumt werden können. Dies werde nunmehr vom Dekanatamt L. formell im Sinne von Nr. 5 Abs. 2 BVV festgestellt. Das Schreiben wurde dem Kläger in Duplikat zur Kenntnis gebracht.
Am 29. September 2000 fand beim Oberkirchenrat ein Gespräch statt, an dem neben dem Kläger und seiner Verfahrensbevollmächtigten zwei Vertreter des Oberkirchenrats teilnahmen. In der darüber gefertigten Aktennotiz wird als Grundlage für dieses Gespräch Nr. 6 Absatz 2 BVV benannt. Bei dem Gespräch wurden u.a. verschiedene Handlungsalternativen angesprochen; dabei gab der Kläger – ausweislich einer Gesprächsnotiz – einer Versetzung in einen anderen Bezirk und damit der Möglichkeit eines Abschlusses seines Vorbereitungsdienstes den Vorzug. Von Seiten des Oberkirchenrats wurde daraufhin noch einmal darauf hingewiesen, dass auch in diesem Fall nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes über die Eignungsfrage zu entscheiden sei und kein Anspruch auf Übernahme in den unständigen Dienst bestehe.
In einem Schreiben an den Oberkirchenrat vom 5. Oktober 2000 empfahl der Direktor des Pfarrseminars der Landeskirche eine regelmäßige Supervision während der Zeit des Ausbildungsvikariats des Klägers. Das Pfarrseminar könne diese Aufgabe allerdings nicht übernehmen.
Bei einer Kollegialsitzung des Oberkirchenrats am 10. Oktober 2000 wurde die Eignung des Klägers für den Pfarrdienst und das weitere Vorgehen diskutiert. Nachdem zunächst erwogen worden war, den Kläger gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 4 Württ. Pfarrergesetz – PfGes – zu entlassen, wurde einstimmig beschlossen, den Kläger zu versetzen. Daraufhin wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. November 2000 in die Kirchengemeinde Z., Dekanat M., versetzt. Ausweislich einer bei den Akten befindlichen weiteren Gesprächsnotiz vom 31. Oktober 2000 wurde der Kläger in einem Telefongespräch vom 27. Oktober 2000 darauf hingewiesen, dass für ihn die positive Eignungsvermutung nach den Erfahrungen in L. nicht mehr gegeben sei. Endgültig werde über seine Eignung und über seine Übernahme in den unständigen Dienst nach Beendigung der Zeit entschieden.
Im Dezember 2000 meldete sich der Kläger zur II. Evangelisch-theologischen Dienstprüfung Winter 2001/2002 an. In diesem Zusammenhang übersandte das Dekanatamt L. mit Schreiben vom 9. April 2001 den so genannten „gelben Auswertungsbogen“ über den Kläger an den Oberkirchenrat. Eine weitere Stellungnahme in Form eines Auswertungsbogens gaben im Oktober 2001 auch der Ausbildungspfarrer, der Schuldekan und der Dekan des Dekanats M. ab. Der Dekan führte dabei u.a. aus, dass unter der theologischen Trennung von Person und Werk manche „Werke“ des Klägers zu loben seien. Im Blick auf die weitere Verwendung im Pfarrdienst gebe es aber offene Fragen, die seine Wahrnehmung beträfen: die Wahrnehmung unterschiedlicher Situationen und Personen wirke bisweilen wie gehemmt durch gedankliche Selbstbeschäftigung, die ein offenes dialogisches Umgehen mit Menschen und Situationen erschwere. Dies betreffe auch die selbstkritische Wahrnehmung des eigenen Verhaltens, die der Förderung bedürfe. Die uneingeschränkte Eignung des Klägers für den Pfarrdienst sei aus der Sicht des Dekans zur Zeit nicht gegeben. Er schlage eine Verlängerung des Vikariats, begleitet durch eigenständige Fördermaßnahmen, vor.
Nach einer bei den Behördenakten befindlichen Aktennotiz des Dekanatamts M. fand dort am 27. November 2001 ein Gespräch statt, an dem der Kläger, der Ausbildungspfarrer, der Schuldekan und der Dekan teilnahmen. Inhalt des Gespräches sei die Frage gewesen, warum der Kläger derzeit als nicht uneingeschränkt geeignet für den Pfarrdienst bezeichnet werden könne und vom Dekan eine Verlängerung des Vikariats vorgeschlagen worden sei.
Ausweislich einer weiteren Gesprächsnotiz fand am 20. Dezember 2001 beim Oberkirchenrat ein Gespräch unter Teilnahme des Klägers statt. Als Rechtsgrundlage für das Gespräch wird in der Notiz Nr. 6 Abs. 3 BVV genannt. In einem Schreiben vom 10. Januar 2002 teilt der Direktor des Pfarrseminars mit, ihm lägen keine neuen Erkenntnisse über die Eignung des Klägers für den Pfarrberuf vor.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2002 äußerte sich das Dekanatamt M. erneut zur Eignung des Klägers für den Pfarrdienst.
In einer Kollegialsitzung des Oberkirchenrats vom 29. Januar 2002 wurde beschlossen, den Kläger nicht in den unständigen Pfarrdienst aufzunehmen. Diese Entscheidung wurde dem Kläger durch Bescheid vom 12. Februar 2002 mitgeteilt. Zur Begründung wurde dargelegt, der Kläger habe sich nicht als für den Pfarrdienst geeignet erwiesen. Die Eignungsbedenken, die bereits während des Vorbereitungsdienstes in L. zu Tage getreten seien, seien auch nach seiner Versetzung nach Z. nicht ausgeräumt, sondern bestätigt worden. Der Oberkirchenrat sei daher der Empfehlung des Dekans, den Vorbereitungsdienst zu verlängern, nicht gefolgt. Eignungsbedenken bestünden nicht nur im Hinblick auf mangelnde fachliche, sondern mehr noch im Blick auf persönliche Kompetenzen im Bereich der Wahrnehmung und der Kommunikation. Es sei jedoch nicht zu erwarten, das Schwächen im Bereich persönlicher Kompetenzen während eines verlängerten Vorbereitungsdienstes ausgeräumt werden könnten. Der Oberkirchenrat sehe beim Kläger insbesondere die Fähigkeit nicht ausreichend ausgebildet, mit Menschen umzugehen, Beziehungen aufzubauen, in Spannungen und Konflikten hilfreich zu wirken und psychische Belastungen zu tragen (Nr. 4 Abs. 3 lit. c BVV). Diese Entscheidung bedeute, dass der Kläger nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes am 28. Februar 2002 aus dem Pfarrdienst der Landeskirche ausscheide.
Am 22. Februar 2002 hat der Kläger das Verwaltungsgericht angerufen. Er begehrt die Verlängerung seines Vorbereitungsdienstes. Zur Begründung wird dargelegt, das Beurteilungsverfahren leide an erheblichen Fehlern. So hätte die Eignungsbeurteilung beim Oberkirchenrat zum 15. März 2001 vorgelegt werden müssen, da über die Aufnahme in den unständigen Dienst im Pfarramt zum 1. April 2002 hätte entschieden werden müssen. Eine solche Eignungsbeurteilung zum 15. März 2001 sei nicht vorgenommen worden. Auffällig sei auch, dass die Personalakten im Wesentlichen von Protokollen, „Memos“, Unterrichtsbesuchsberichten etc. gekennzeichnet seien, die ausschließlich die Ausbildungszeit des Klägers in L. beträfen. Die Dienstzeit des Klägers in Z. sei kaum dokumentiert. Schließlich habe auch kein vom … Dekan zu betreibendes „besonderes Verfahren“ nach Nr. 5 Abs. 1 BVV stattgefunden. Dieses Verfahren sei auch nicht im Hinblick auf die vom Dekanat L. im Sommer 2000 veranlassten Verfahrensschritte entbehrlich geworden.
In materiellrechtlicher Hinsicht bestehe ausnahmsweise ein Anspruch auf Verlängerung des Vorbereitungsdienstes nach § 72 Abs. 2 Satz 2 PfGes. Die vom Oberkirchenrat genannten Befähigungsdefizite seien – falls sie vorliegen sollten – jedenfalls nicht in absehbarer Zeit unüberwindlich. Dies ergebe ein Vergleich der verschiedenen Leistungs- und Befähigungsbeurteilungen. Mit zunehmender Erfahrung und Praxis sei der Kläger zu deutlich besseren Leistungen fähig gewesen. Dies bestätige auch die Stellungnahme des Dekans P. vom Oktober 2001; dieser befürworte deshalb ausdrücklich die Verlängerung des Vikariats. Diese Empfehlung sei von der Beklagten zwar bemerkt, aber in unvertretbarer Weise gewichtet worden. Offenbar habe sich der Oberkirchenrat bereits frühzeitig die Einschätzung des Dekanatamts L. vom Sommer 2000 zu eigen gemacht. Eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes rechtfertige sich auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte ihrer Fürsorgeverpflichtung gegenüber dem Kläger bislang nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. So sei etwa von Seiten des Direktors des Pfarrseminars ausdrücklich eine regelmäßige Supervision beim Kläger empfohlen worden. Auch der M. Dekan habe „eigenständige Fördermaßnahmen“ vorgeschlagen, die in die gleiche Richtung gezielt hätten. Auch dieser Hinweis sei nicht aufgegriffen worden. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach den im Übrigen vorliegenden Beurteilungsergebnissen eine gute bis befriedigende theoretische Qualifikation aufweise, sollten noch bestehende Persönlichkeitsdefizite bei intensiver Bearbeitung im Rahmen des verlängerten Vorbereitungsdienstes beseitigt werden können. Hierzu sei seitens des Oberkirchenrats keine Prognose getroffen worden.
Dem Begehren des Klägers könne nicht entgegengehalten werden, dass er zwischenzeitlich aus dem Dienst der Beklagten ausgeschieden sei, eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes sei weiterhin möglich. Ergänzend vorgelegt wurde ein Tätigkeitszeugnis über den Kläger, ausgestellt von der leitenden Ärztin für Psychiatrie / Psychotherapie der Abteilung Gerontopsychiatrie des Krankenhauses Z. vom 6. August 2002. Danach habe es bei der im Rahmen des Vikariats des Klägers ausgeübten seelsorgerischen Tätigkeit in der Klinik keine Beanstandungen gegeben.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung des Vorbereitungsdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und den Bescheid des Oberkirchenrats vom 12. Februar 2002 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei schon deshalb unzulässig, weil der Klageantrag auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet sei. Nachdem der Kläger mit Ablauf des 28. Februar 2002 aus dem Pfarrdienst ausgeschieden sei, sei eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes nicht mehr möglich, da eine Verlängerung das Bestehen eines Dienstverhältnisses voraussetze.
Im Übrigen wird vorgetragen, Verfahrensbestimmungen seien im Falle des Klägers nicht verletzt worden. Der Einleitung eines erneuten besonderen Verfahrens nach Nr. 5 BVV habe es nicht bedurft. Der Bescheid des Oberkirchenrats stütze sich nicht ausschließlich auf die im Auswertungsbogen enthaltenen Äußerungen von Ausbildungspfarrer, Schuldekan und Dekan, sondern verweise ausdrücklich auf das mit dem Kläger am 20. Dezember 2001 geführte Gespräch, die zusätzliche Stellungnahme des Dekanatamts M. vom 15. Januar 2002 sowie auf die bereits in L. vorgetragenen Eignungsbedenken. Der Entscheidung des Oberkirchenrats liege damit die Summe der gewonnenen Eindrücke zugrunde. Sie beruhe auf der Überzeugung, dass auch durch eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes die festgestellten Eignungsmängel nicht behoben werden könnten. Dabei gehe es nicht um fachliche Wissensdefizite oder mangelnde Fertigkeiten, sondern vielmehr um die mangelnde Beherrschung der für den Pfarrdienst unabdingbaren Grundfähigkeiten im Bereich der Wahrnehmung und der Kommunikation, die in der Persönlichkeit des Klägers begründet sei, weshalb nicht zu erwarten sei, dass dies in einem weiteren halben oder ganzen Jahr im Vorbereitungsdienst grundlegend zu ändern wäre.
Dem Gericht haben die in der Sache angefallenen Akten der Beklagten vorgelegen. Auf sie und auf die Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
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Gründe:

Die Klage ist zulässig.
Mit der Klage verfolgt der Kläger allein das Ziel der Verlängerung seines Vorbereitungsdienstes, die in dem angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 2002 inzident enthaltene Feststellung, dass er sich bis zum Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids nicht in vollem Umfang als für den Pfarrdienst geeignet erwiesen hat (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 PfGes), ist damit nicht Streitgegenstand. Letzteres folgt daraus, dass - hätte sich der Kläger als geeignet erwiesen - eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes per se nicht in Betracht käme, er vielmehr in den unständigen Dienst im Pfarramt hätte übernommen werden können.
Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass mit der Feststellung der Nichteignung des Klägers zum einen lediglich eine Eignungsbeurteilung für das Pfarramt, nicht aber eine generelle Beurteilung der Persönlichkeit verbunden ist; dies gilt insbesondere für die Einschätzung seiner mangelnden Befähigung zum Umgang mit Menschen nach Nr. 4 Abs. 3 lit. c BVV. Zum andern soll auch nicht verkannt werden, dass der Kläger im Hinblick auf die anderen in Nr. 4 Abs. 3 BVV genannten Merkmale nach Aktenlage wohl keine generell seine Eignung ausschließenden Schwächen gezeigt hat, sondern auch durchaus positiv hervorgetreten ist, was etwa die Predigtarbeit angeht. Voraussetzung für ein die Übernahme in den unständigen Dienst rechtfertigendes Urteil ist jedoch, dass der Vikar im Vorbereitungsdienst in allen nach Nr. 4 Abs. 3 BVV relevanten Bereichen seine Eignung nachgewiesen hat.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der regelmäßige Vorbereitungsdienst des Klägers bereits zum 28. Februar 2002 geendet hat. Denn aufgrund dieser Sachlage scheidet lediglich eine Verpflichtung zu einem am 1. März 2002 beginnenden verlängerten Vorbereitungsdienst rein faktisch aus, nicht ausgeschlossen wäre jedoch bei einem Erfolg der Klage die Absolvierung eines ergänzenden Vorbereitungsdienstes von einer Dauer bis zu 12 Monaten (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 2 PfGes) ab Rechtskraft des Urteils. Eine solche Beurteilung verlangt insbesondere das auch in kirchenverwaltungsgerichtlichen Verfahren als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzuwendende Gebot des effektiven Rechtsschutzes.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über die Verlängerung seines Vorbereitungsdienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der angefochtene Bescheid vom 12. Februar 2002 ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 78 Abs. 1 Satz 1 KVwGG).
Rechtsgrundlage für die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes ist § 72 Abs. 2 PfGes. Danach kann die in § 72 Abs. 2 Satz 1 genannte Frist für die Übernahme in den unständigen Dienst im Pfarramt in Ausnahmefällen bis zu 12 Monaten verlängert werden, womit eine Verlängerung des Vorbereitungsdienstes einhergeht (§ 72 Abs. 2 Satz 2 PfGes i.V.m. Nr. 6 Abs. 3 lit. b BVV). § 72 Abs. 2 Satz 2 PfGes räumt dem nach Nr. 6 Abs. 3 BVV zuständigen Oberkirchenrat damit kein allgemeines, nur durch das Willkürverbot eingeschränktes Ermessen ein, über die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes zu entscheiden, vielmehr ist dem Oberkirchenrat Ermessen nur dann eröffnet, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, nämlich ein Ausnahmefall gegeben ist. Das Vorliegen eines Ausnahmefalles in diesem Sinne vermag das Gericht im Falle des Klägers allerdings nicht festzustellen.
Ein Ausnahmefall liegt nach dem Sprachgebrauch dann vor, wenn besondere Umstände ersichtlich sind, die ihn vom Normalfall unterscheiden, wobei sich solche Besonderheiten aus der Gesamtheit des zu berücksichtigenden Sachverhalts ergeben können, also bezogen auf den zu entscheidenden Fall sowohl unmittelbar in der Person des Vikars als auch im Ablauf des bisherigen Vorbereitungsdienstes begründet sein können. An einen atypischen Sachverhalt wäre beispielsweise dann zu denken, wenn ein Vikar während des Vorbereitungsdienstes infolge einer Krankheit oder anderer unvermeidbarer persönlicher Umstände Belastungen oder Einschränkungen bei der Ausübung des Dienstes ausgesetzt war, sich also insoweit biografische Besonderheiten im Vergleich mit anderen Vikaren ergeben hatten. In diesem Sinne atypische Geschehensabläufe oder Umstände sind im Fall des Klägers aber nicht erkennbar.
Eine entscheidungserhebliche Besonderheit im Fall des Klägers ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass sich im Lauf des Vorbereitungsdienstes offensichtlich seine - pfarrdienstspezifischen - Fähigkeiten im Umgang mit Menschen verbessert haben. Denn Zweck des Vorbereitungsdienstes ist es ja gerade, den Vikar an den Pfarrerdienst heranzuführen und ihm die Fähigkeit zu vermitteln – zunächst im unständigen Dienst, später im ständigen Dienst - selbständig Dienstaufträge im Pfarramt wahrzunehmen (vgl. § 2 Abs. 6 PfGes). Damit ist der Vorbereitungsdienst bereits seinem Wesen nach auf die Förderung und mithin auf eine Entwicklung der für den Pfarrdienst notwendigen persönlichen Voraussetzungen angelegt.
Auch im Hinblick auf das im Falle des Klägers durchgeführte besondere Beurteilungsverfahren nach Nr. 5 BVV gibt es keinen Anlass, einen Ausnahmefall im Sinne von § 72 Abs. 2 Satz 2 PfGes zu bejahen. Dieses besondere Beurteilungsverfahren wurde während seines Dienstes an der Paul-Gerhardt-Kirche in L. eingeleitet und mit der angefochtenen Entscheidung abgeschlossen. Eine Notwendigkeit, nach der Versetzung des Klägers nach Z. ein erneutes besonderes Beurteilungsverfahren nach Nr. 5 BVV einzuleiten, bestand nicht, eine solche Verpflichtung lässt sich der Beurteilungsverordnung nicht entnehmen.
Aus dem Umstand, dass vorliegend ein besonderes Beurteilungsverfahren durchgeführt wurde, folgt auch, dass es einer Beurteilung zum Stichtag 15. März 2001 nicht bedurfte. Denn dieser in Nr. 3 Abs. 2 BVV genannte Stichtag erfasst nur die (Regel-)Fälle, in denen nicht bereits zuvor – wie hier – sich die Notwendigkeit einer Beurteilung ergeben hatte (vgl. Nr. 3 Abs. 1 BVV). Im Verlauf des besonderen Beurteilungsverfahrens, beginnend im Sommer 2000, wurde der Kläger auch nie im Unklaren darüber gelassen, dass Bedenken im Hinblick auf das bereits erwähnte Eignungsmerkmal nach Nr. 4 Abs. 3 lit. c BVV bestanden. Gegenteiliges lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass Dekan P. in seiner Stellungnahme vom Oktober 2001 die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes des Klägers vorgeschlagen hatte. Denn eine solche Verlängerung kommt nur dann in Betracht, wenn die notwendige Eignung für den Pfarrdienst (noch) nicht festgestellt werden kann (vgl. Nr. 6 Abs. 3 BVV). Auf dieser Einschätzung beruhte im Übrigen auch der Verlängerungsvorschlag des Dekans, der in der genannten Stellungnahme – unmittelbar vor dem Vorschlag der Verlängerung – darauf hingewiesen hatte, dass aus seiner Sicht die uneingeschränkte Eignung des Klägers für den Pfarrdienst zur Zeit nicht gegeben sei. Angesichts dessen ist es für die hierzu treffende Entscheidung auch nicht von Bedeutung, dass dem Oberkirchenrat bei Anwendung der Beurteilungsverordnung Verfahrensfehler jedenfalls insoweit unterlaufen sind, als der Kläger lediglich mündlich, nicht aber schriftlich nach dem Gespräch vom 29. September 2000 über die noch verbleibenden Eignungsbedenken informiert worden ist, wie dies Nr. 6 Abs. 2 Satz 3 BVV verlangt, und auch die Stellungnahme des Dekanatamts M. vom 15. Januar 2002 – wertet man sie als Stellungnahme im Sinne von Nr. 6 Abs. 2 Satz 4 BVV – dem Kläger nicht nach Maßgabe von Nr. 6 Abs. 3 BVV zur Kenntnis gebracht wurde. Zwar wurde von den Vertretern des Oberkirchenrats in der mündlichen Verhandlung dargelegt, die ergänzende Stellungnahme des Dekanatamts nach Nr. 6 Abs. 2 Satz 3 BVV sei in den Stellungnahmen von Dekan, Schuldekan und Ausbildungspfarrer auf dem Auswertungsbogen vom Oktober 2001 zu sehen, jedoch wäre auch in diesem Falle von einem Verfahrensfehler auszugehen, der dann darin läge, dass die Stellungnahme des Dekanatamts bei weitem zu früh erfolgt wäre; diese sollte nämlich nach Nr. 6 Abs. 2 Satz 3 BVV erst 2 Monate vor dem vorgesehenen Zeitpunkt einer Aufnahme in den unständigen Dienst im Pfarramt erfolgen. Übernahmetermin wäre aber vorliegend am 1. April 2002 gewesen.
Das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung lässt sich auch nicht mit dem Hinweis des Klägers begründen, die Beklagte sei ihrer Fürsorgepflicht nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen. Dieser Vorwurf ist nach den Erkenntnissen des Gerichts nicht haltbar. Vielmehr zeigt die Versetzung nach Z., die mit dem Einverständnis des Klägers erfolgt ist, dass der Oberkirchenrat dem Kläger einen Neuanfang ermöglichte, und ihm damit erneut die Gelegenheit geben wollte, seine Eignung unter Beweis zu stellen. Dass andere Vikare oder gar die überwiegende Mehrzahl der Vikare während ihres Vorbereitungsdienstes eine weitergehende Förderung erfahren hätten als er, wird auch vom Kläger - wie in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde - nicht behauptet.
Schließlich vermag auch der Umstand, dass der Kläger keine Supervision in Anspruch genommen hat, wie dies vom Direktor des Pfarrseminars empfohlen worden war, nicht die Annahme eines Ausnahmefalles zu begründen. Denn auch insoweit - dies ergab die mündliche Verhandlung - wurde er gleich behandelt wie andere Vikare, denen - falls sie sich um eine Supervision bemühen - von Seiten des Oberkirchenrats regelmäßig lediglich geeignete Supervisoren nachgewiesen werden, der Vikar aber selbst die erforderliche Anmeldung vornehmen muss.
Liegen nach allem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Satz 2 PfGes nicht vor, ist die mit dem alleinigen Ziel der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes erhobene Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.
gez. Müller
gez. Eiche
gez. Schlatter
gez. Kohler
gez. Dr. Deuschle