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und Beschluss des Verwaltungsgerichts
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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg |
Entscheidungsform: | Beschluss |
Datum: | 26.09.2003 |
Aktenzeichen: | VG 05/03 |
Rechtsgrundlage: | § 38 KVwGG; § 54 Abs. 3 Württ. Pfarrergesetz |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Aufforderung zur Bewerbung um andere Stellen, Eilrechtsschutz, aufschiebende Wirkung, Spannungsverhältnis |
Leitsatz
und Beschluss des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 26. September 2003
#Leitsatz:
- § 54 Abs. 3 Württ. Pfarrergesetz ermächtigt zum Erlass einer Aufforderung mit Verwaltungsaktcharakter.
- Der Oberkirchenrat kann das Verfahren von Amts wegen einleiten, die Mitwirkung weiterer Stellen ist nicht durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben.
- Zum Vorliegen eines dringenden Interesses, hier: Regelfall gemäß § 54 Abs. 3 Württ. Pfarrergesetz.
- Zur Ausübung des Ermessens. Angebot einer Selbstverpflichtung. Spannungsverhältnis.
Az: VG 05/03 | |
In der Verwaltungsrechtssache | |
Pfarrerin ... | |
- Antragsstellerin - | |
gegen | |
die Evangelische Landeskirche in Württemberg, vertr. durch den Oberkirchenrat, dieser vertr. d. d. Direktorin im Oberkirchenrat, Frau Oberkirchenrätin Rupp, Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart | |
- Antragsgegnerin - | |
wegen | |
Aufforderung zum Stellenwechsel hier: Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung | |
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch den Richter am Verwaltungsgericht Dipl.-Theol. Rainer E. Müller als Vorsitzenden den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dieter Eiche als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt die Pfarrerin Erika Schlatter als ordiniertes Mitglied den Pfarrer Christian Kohler als ordiniertes Mitglied den Rechtsanwalt Dr. Dieter Deuschle als nichtordiniertes Mitglied | |
am 26. September 2003 beschlossen: |
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. | |
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. |
Gründe:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Aufforderungsbescheid des Oberkirchenrats vom 23. Mai 2003 wiederherzustellen, ist gemäß § 38 Abs. 5 KVwGG statthaft. Die Aufforderung zum Stellenwechsel ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Dies ergibt sich aus Form und Inhalt der angegriffenen Entscheidung. Der Oberkirchenrat will erkennbar eine belastende Regelung treffen, nämlich die Pflicht der Antragstellerin begründen, sich binnen einer bestimmten Frist auf andere Stellen zu bewerben. Dass die Erfüllung dieser Pflicht möglicherweise nicht unmittelbar erzwungen werden kann, steht der Annahme einer solchen pflichtbegründenden Regelung nicht entgegen.
Der Antrag ist auch sonst zulässig, aber nicht begründet.
Die sofortige Vollziehung der Aufforderungsverfügung ist formell rechtsfehlerfrei angeordnet worden. Der Oberkirchenrat hat sie unter Ziffer V. der angegriffenen Entscheidung besonders verfügt (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 KVwGG) und das aus seiner Sicht bestehende besondere kirchliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gemäß § 38 Abs. 3 KVwGG schriftlich begründet.
Gemäß § 38 Abs. 5 KVwGG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 2 KVwGG im kirchlichen Interesse besonders angeordnet worden ist. Bei der vom Gericht danach zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung ist das kirchliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes gegen das Individualinteresse der Antragstellerin, zunächst von den Rechtsfolgen der Verfügung verschont zu bleiben, abzuwägen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, ein wesentliches Kriterium. Erweist sich der Rechtsbehelf bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wahrscheinlich erfolgreich, so wird auch dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu entsprechen sein. Erweist er sich hingegen als wahrscheinlich aussichtslos, so ist darüber hinaus zu prüfen, ob ein besonderes kirchliches Interesse am sofortigen Vollzug besteht.
Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen, da diese nach derzeitiger Beurteilung des Gerichts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben dürfte und darüber hinaus ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung besteht.
Die an die Antragstellerin gerichtete Aufforderung, sich bis spätestens 1. Dezember 2003 im dringenden Interesse ihres Arbeitsbereichs, der Evangelischen Akademie …, auf andere Pfarrstellen zu bewerben, findet ihre Rechtsgrundlage in § 54 Abs. 3 des Württembergischen Pfarrergesetzes. Danach kann der Oberkirchenrat, wenn es im dringenden Interesse eines ... Arbeitsbereichs liegt, in dem der Pfarrer tätig ist, den Pfarrer schriftlich auffordern, sich binnen einer angemessenen Frist um andere Stellen zu bewerben (Satz 1). Die Voraussetzungen hierfür sind in der Regel gegeben, wenn die Mehrheit der Mitglieder des zuständigen Besetzungsgremiums einen Stellenwechsel des Pfarrers für ratsam hält (Satz 2). Gemäß § 1 Abs. 2 des Württembergischen Pfarrergesetzes gelten diese Regelungen auch für Pfarrerinnen. Zumindest die Regelung in Abs. 3 des § 54 Württembergisches Pfarrergesetz ermächtigt dabei auch zum Erlass einer Aufforderung mit Verwaltungsaktcharakter (ebenso die frühere Entscheidungspraxis des Landeskirchenausschusses in Beschwerdesachen, Beschluss vom 18. April 1997, LKA/B - 26/1996).
Beachtliche Fehler formeller Art, die zur Aufhebung der Verfügung führen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Oberkirchenrat ist für die Entscheidung zuständig (§ 54 des Württembergischen Pfarrergesetzes) und kann das Verwaltungsverfahren von Amts wegen einleiten. Die Mitwirkung weiterer Stellen ist nicht durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben, insbesondere enthält § 3 der Ordnung der Evangelischen Akademie … nur zusätzliche Regelungen für die Besetzung der Stellen der weiteren Direktoren der Akademie, zu denen die Antragstellerin zählt. Der Antragstellerin ist bei ihrer Anhörung am 04. April 2003 Gelegenheit gegeben worden, sich zu der beabsichtigten Aufforderung und zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
Die Abordnungsentscheidung dürfte sich auch materiell als rechtmäßig erweisen.
Es besteht ein dringendes Interesse der Evangelischen Akademie … an einer Aufforderung der Antragstellerin zum Stellenwechsel.
Es liegt dabei schon ein Regelfall nach § 54 Abs. 3 Satz 2 des Württembergischen Pfarrergesetzes vor. Die Mehrheit der Mitglieder des Kuratoriums der Evangelischen Akademie …, das gemäß § 3 Abs. 5 der Ordnung der Evangelischen Akademie …die Aufgaben des Besetzungsgremiums wahrnimmt, hält einen Stellenwechsel der Antragstellerin für ratsam, wie sich aus dessen Beschlüssen vom 09. Januar 2003 und vom 28. Januar 2003 ergibt. Diese Beschlüsse begegnen auch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Mitwirkung von Mitgliedern des Oberkirchenrats beruht auf der rechtlich nicht zu beanstandenden Regelung in § 5 Abs. 1 der Ordnung der Evangelischen Akademie …. Der Ausschluss der ansonsten gemäß § 5 Abs. 2 dieser Ordnung beratend teilnehmenden Mitglieder der Leitungsebene war sachgerecht wegen der persönlichen Betroffenheit aller dieser Mitglieder im Hinblick auf die zu beratende Neuorganisation der gesamten Leitungsebene. Es ist weiter nicht zu erkennen, dass die Kuratoriumsmitglieder hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen etwa nicht ausreichend informiert worden sind.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Kuratorium bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Abordnungsverfügung einen andern Willen gebildet hat und nun etwa eine Lösung, bei der nur die Direktorin H. die Akademie verlässt, für ausreichend hält.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles sind nicht gegeben. Eine weitere Aufklärung der Vorgänge, die zum Zerwürfnis in der Leitung geführt haben, hält das Gericht dabei nicht für geboten. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das dringende Interesse missbräuchlich behauptet wird, um die Antragstellerin gezielt entfernen zu können. Schließlich lässt auch die Zustimmung des Kuratoriums zur weiteren Entscheidung des Oberkirchenrats, den geschäftsführenden Direktor trotz etwaiger eigener Anteile am Versagen der gemeinsamen kollegialen Verantwortung in der Leitung der Evangelischen Akademie … zu belassen, das dringende Interesse für eine Aufforderung der Antragstellerin nicht entfallen. Denn auch diese Entscheidung, die mit dem Erfordernis eines Mindestmaßes an Kontinuität hinreichen begründet wird, erscheint nicht als missbräuchlich.
Es kann deshalb letztlich dahingestellt bleiben, ob der Oberkirchenrat hier nicht schon ohne eine entsprechende Mehrheit des Kuratoriums wegen der entstandenen Konflikte in der Leitungsebene der Evangelischen Akademie … von einem dringenden Interesse des Arbeitsbereiches ausgehen könnte, das eine Ermessensentscheidung über eine Aufforderung eröffnet.
Die auf Grund des dienstlichen Bedürfnisses getroffene Ermessensentscheidung über die Aufforderung der Antragstellerin lässt auch in Anbetracht der Fürsorgepflicht (§ 36 des Württembergischen Pfarrergesetzes) keine Rechtsfehler erkennen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird nicht verletzt, insbesondere kommt keine die Antragstellerin weniger belastende, aber im Wesentlichen gleich geeignete Maßnahme in Betracht. Die Antragstellerin hat zwar zur Vermeidung eines Verwaltungsaktes eine Selbstverpflichtung angeboten. Es ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass im Rahmen eines Pfarrerdienstverhältnisses eine Selbstverpflichtung eine Regelung durch Verwaltungsakt entbehrlich machen kann. Dies bedarf hier aber keiner weiteren Vertiefung. Denn die von der Antragstellerin zuletzt mit Schreiben vom 17. Mai 2003 angebotene Selbstverpflichtung war schon ihrem Inhalt nach nicht bedingungsfrei und vergleichbar geeignet.
Die die Antragstellerin treffenden Rechtsfolgen stehen des weiteren auch nicht außer Verhältnis zum Anlass. Zwar ist es nicht schlechthin ausgeschlossen, dass bei einem Dauerspannungsverhältnis in der Ermessensstation auch das Verschulden eines der Streitbeteiligten zu berücksichtigen ist. Es kann hier aber nicht festgestellt werden, dass bei dem entstandenen Spannungsverhältnis die Antragstellerin im wesentlichen nur Opfer schuldhaften Verhaltens anderer Leitungsmitglieder geworden ist, insbesondere dass das Spannungsverhältnis allein (!) durch das Verhalten der Direktorin Frau H. verursacht und aufrechterhalten worden ist.
Schließlich ist auch die vom Oberkirchenrat bestimmte Frist angemessen und nicht zu kurz bemessen. Bei erfolglosem Fristablauf kommt zwar grundsätzlich auch eine Wartestandsversetzung in Betracht. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine zwingende Folge, sondern gegebenenfalls um eine dann wiederum überprüfbare individuelle Ermessensentscheidung.
Nach allem dürfte sich die angefochtene Aufforderungsverfügung im Klageverfahren als rechtmäßig erweisen. Bei dieser Sachlage besteht auch ein besonderes kirchliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Hierfür genügt schon, dass an einer raschen Auflösung der Konfliktsituation in der Leitung der Evangelischen Akademie … ein dringendes kirchliches Interesse besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.
gez. Müller | gez. Eiche | gez. Schlatter |
gez. Kohler | gez. Dr. Deuschle |